FLÄCHENSTUDIEN
2008-2021
Angela Cremer untersucht in ihrer Arbeit die Bedeutung der Malerei an sich und in ihrem zeitgenössischen Kontext. Fragestellungen zur Balance zwischen Oberfläche, Material und Motiv interessieren sie dabei genauso wie die Möglichkeit, Malerei jenseits von Sprache zu rezipieren. Sie hinterfragt die Grenzen der Malerei, versucht, diese zu erweitern. Irritationen bei der Betrachtung, hervorgerufen durch das Material, motivisch ans Ornament angelehnte Darstellungen und die fortwährende, schichtweise Bearbeitung der Fläche loten Nähe und Grenzen zum Handwerk und Design aus. Ihre Bilder sind, gemessen an der uns umgebenden Masse an verbildlichten Botschaften, dem Zustand des Eintauchens in Wasser ähnlich: Still, unklar, schwebend, verlangsamt und frei von jeglicher Absicht. Das Sehen als solches gewinnt hier an Bedeutung.
Sehr feiner Putz auf Holz, mehrfach aufgetragen, verpresst und poliert (technisch der Freskotechnik sehr ähnlich), erzeugt beim Betrachter eine Irritation, weil diese Technik für zeitgenössische Bilder sehr ungewöhnlich ist. Bekannt sind diese Materialbeschaffenheiten von Wandmalereien der Renaissance bis zum Barock. Als letzte Schicht wird Wachs aufgetragen, welcher mehrfach poliert wird. Hierdurch entsteht ein starker Glanz, der an eine keramische Glasur im gebrannten Zustand erinnert. Der Betrachter nimmt Reflexionen/Spiegelungen wahr. Das Motiv verbirgt sich hinter dieser Glanzschicht, tritt in den Hintergrund. Die Motive der „Flächenstudien“ sind still. Es ist nur sehr wenig zu sehen. Manchmal nur feine Gitter, feine Linien, kleine Löcher. Es sind eher Strukturen als Motive, meistens gleichförmige, sich immer wiederholende „Phrasen“. Dieses Prinzip erscheint als Motiv für diese Arbeiten schlüssig, denn es reiht sich als gleichwertige Komponente in die Reihe von Oberfläche und Material ein und zieht den Blick nicht sofort auf sich. Das Motiv greift das Thema des sich rhythmischen Wiederholens, des Gitters, des Netzes, des Kontinuierlichen, des Stetigen, u.s.w. auf, dem sich Angela Cremer verbunden fühlt. Titel der Arbeiten entstammen der Begrifflichkeit der Musiktheorie und verweisen auf die Fragestellung: Können wir Bilder sehen und sie aufnehmen, ähnlich, wie wir Musik hörend „verstehen“?
LICHT UND RAUM
2002-2019
"Licht und Raum" ist d a s Thema der Malerei.
Kann Farbe, eine Farbkomposition einen Raum, eine Tiefe beschreiben - auch wenn keine perspektivisch verlaufenden Linien oder Formen dies em Betrachter suggerieren wollen?
Diese langjährige Arbeit umfasst Werke, meist großformatig, in Acryl auf Leinwand.
S.u. Text "Das Sprechen der Bilder" von Dr. Volker Wortmann
Verschiedene Techniken zu figürlicher Darstellung im Bild, aufgelöst in Flächen unter Zuhilfenahme moderner Medien. Gerade weil wir vor lauter Bildern das Sehen verlernt haben, brauchen wir Bilder, die uns wieder sehend machen. Gerade weil die Bilder immer lauter werden, brauchen wir Bilder, die uns in die Stille führen. Und gerade weil die Bilder uns immer etwas verkaufen wollen, brauchen wir Bilder, die erst einmal gar nichts wollen, die einfach nur sind, die uns einfach nur dazu einladen, sie anzuschauen und die in diesem Sinne ganz sicher Bilder sind, die uns einen besonderen Dienst erweisen können.
S.u. ganzer Text von Dr. Volker Wortmann
Kalkmarmorputz und Acryl auf MDF, 20 cm x 20 cm. Kann das Genre Portrait trotz Skype, facebook, twitter und, und, und in der zeitgenössischen Malerei bestehen? Vielleicht genau deswegen. Malerei holt zurück, macht erinnerungswürdigg, bremst aus, friert ein.
S.u. Text "Skype Ikonen" von Dr. Volker Wortmann
ILLUSTRATIONEN
2007-2009
Im Schlaf hörte Tobias eine Stimme. „Wach auf“, flüsterte sie. „Du musst aufstehen!“ Tobias drehte sich auf die Seite und zog die Decke über den Kopf. Irgendetwas stach ihn in den Rücken. Der Geruch von Moder, Heu und Dung zog in seine Nase. Er machte die Augen auf. Durch ein kleines Fenster schien der Mond und alles, was er sah, war ihm fremd. Im fahlen Mondlicht huschte eine Maus an einer Bretterwand entlang in ihr Loch, und dort, wo sie gerade verschwunden war, sah er einen alten Pflug, daneben eine Sense und eine Heugabel. Er lag in einem Stall, und er lag auf Stroh. Dies war nicht sein Zuhause, nicht das Zimmer, in dem er sich am Abend zuvor noch ins Bett gelegt hatte! Ganz sicher nicht!
Auszug "Bis zum Frühlingsmond" von Dr. Volker Wortmann